Ernst Helmuth Flammer

*  15. Januar 1949

von Volker Blumenthaler

Essay

Facetten der Zeit

Wir schwimmen im Zeitstrom gleich Schiffbrüchigen. Wie ein roter Faden durchzieht dieses große Thema um »Mensch und Zeit« das Werk Ernst Helmuth Flammers. Werner Heisenbergs Unschärferelation und die Relativitätstheorie Albert Einsteins fügten dem einst als unerschütterlich geltenden linearen Zeitbegriff die entscheidenden Risse zu. Vom sicher geglaubten Schiff blieb nur noch die Schiffsplanke übrig. Ort und Zeit des Betrachtens stehen von nun an im Widerspruch zueinander. Die Zeit ist sich nicht mehr gleich. Zeitdeformation an der Peripherie: Zeit franst aus, kehrt sich um. Das scheinbar objektiv Messbare wird subjektiv entweder verformt oder verunreinigt. Es erfährt seine Aufspaltung in verschiedene Zeitebenen.

Viele seiner kompositorischen Ideen sind an unterschiedliche Erscheinungsformen der Zeit bzw. an deren Symbolik und Metaphorik gekoppelt: Es dauert nur einen kurzen Augenblick für Orgel und Stimme (1979/80), Styx für Flöte und Kammerorchester (1979/80), Momentaufnahmen. Fünf kurze Stücke für Klavier (1980/81), ex-tem-sec-pus-tio für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier (1981), das Oratorium Der Turmbau zu Babel (1981/82), circulare ad infinitum – in modo passacaglio für Trompete solo (1983), Zeitzeichen – Zeitmaße für Klavier und großes Orchester (1985/87), Zeitflucht für Kammerensemble (1988) oder Zeitwinde für Schlagquartett und Violoncello (1989/90) heißen ...